Pink Floyd “Their Mortal Remains”: Alte Meister in Rom
Pink Floyd Exhibition Museo Macro
Ein Bericht von der Floyd-Ausstellung in Rom 3. April 2018 von Christian Kaserer
Viele Wege führen nach Rom und viele Gründe bewegen die Besucher dort hin. Für die einen sind es die Überreste des antiken Imperiums, für die anderen die Zeugnisse der großen Künstler der Renaissance und für manche sind es religiöse Motive und zuvorderst der Vatikan, die sie in die ewige Stadt führen. Das mag natürlich alles mit eingeflossen sein in die Entscheidung meiner Freundin und mir einen Urlaub – gerade über Ostern auch noch – in Rom zu machen, doch die eigentlichen Beweggründe waren zwei andere Meister, die gerade dort zu gastieren sich anschickten: Pink Floyd und Bob Dylan.
Zu Rom ließe sich hier die eine oder andere Seite füllen. Wolle man nun die unbeschreiblich aufdringlichen Straßenverkäufer und ihre prekäre soziale Lage beschreiben, sich über die schlechten Straßen und das verlässlich unpünktliche öffentliche Verkehrsnetz echauffieren oder über die Unmengen an Touristen monieren, welche sogar noch um Mitternacht ein ordentliches Bild vom Trevi-Brunnen zu verhindern wissen, aber dafür innerhalb von dreißig Minuten gleich zwei Mal auf die einzigartige Idee kamen, dort einen Heiratsantrag zu stellen (bei so vielen Menschen lässt es sich schwer nein sagen). Material fände sich genug und im Netz entdeckt man sicher mehrere sarkastische Touristenführer. Zu dieser wundervollen und zugleich oft anstrengenden Stadt braucht man nicht mehr viel sagen, dafür jedoch umso mehr zur Pink Floyd Exhibition.
In zwei Stunden durch fünfzig Jahre
Die ja inzwischen zur Wanderausstellung gewordene Pink Floyd „Their Mortal Remains“ Exhibition gastiert nun also in Rom im MACRO (Museo d’Arte Contemporanea di Roma) und zieht dort die Besucher tatsächlich in Massen an. Betritt man das Museum, vernimmt man bereits am Eingang alternierend und gut wahrnehmbar Arnold Layne sowie Comfortably Numb und sieht man sich etwas um, erkennt man in einer Ecke den in voller Größe aufgeblasenen Vater der Nuclear Family der 1977er Tour halb stehend, halb schwebend. Schon im ersten Raum wird man dann von psychedelischen Postern an den Wänden, sowie einer ebenso psychedelischen Projektion von eingefärbten Flüssigkeiten an der Decke geradezu erschlagen und mitten in die 60er Jahre katapultiert. Die Räume folgen, wie sollte es anders sein, chronologisch der Geschichte der Floyds.
Die über Bluetooth beschickten Kopfhörer spielen dabei stets passend zur aktuellen Station Ausschnitte bekannterer Songs und nähert man sich den Bildschirmen, hört man Gilmour, Waters, Mason, Wright und andere über die Entstehung der Alben, über die Live-Shows und weitere Details berichten. Zu den Einblendungen an den Hörern, die sich manchmal zu schnell oder zu langsam verändern und nicht selten sprunghaft wirken, wurde ja schon einiges gesagt. Besonders interessant für mich indes war die Tatsache, dass die Interviews von Gilmour, Waters und Mason allesamt aus dem Jahr 2017 stammen. Hier darf man hoffen, dass sie eventuell in einer „Anthology“ oder mehrerer Making-Ofs für künftige Re-Releases aufscheinen werden und nicht nur Teil der Ausstellung sind. Zu nennen sind auch die unglaublichen vielen Originale: Briefe, Tagebücher, Song-Lyrics, Poster, Plakate, Instrumente. Gerade letztere illustrieren nicht nur die Bandgeschichte sondern überhaupt die technologische Entwicklung seit den späten 1960er Jahren, was es umso interessanter macht.
Wie die Auftritte von Pink Floyd ist auch diese Ausstellung eine beeindruckende und interaktive Show. Während das Cover von Ummagumma in einer von Spiegeln umgebenden Einbuchtung platziert ist, welche räumliche Illusionen verursachen und mehrere Leute bereits gegen die Spiegel rennen ließen, hat man 1973 die Chance seinen eigenen Mix von Money zu erzeugen und in einem dunklen Raum einem dreidimensionalen, sich drehenden Prisma für gefühlte Ewigkeiten zuzusehen. Ab der Wish You Were Here Tour im Jahre 1975 wird man nicht umhin kommen, den Kopf allenthalben nach oben zu wenden. Während es zunächst „nur“ der Rotating flower-petal mirror ball ist, der in der Höhe hängt, ist es bei Animals bereits das berühmte Schwein Algie und bei The Wall schweben der Lehrer und ein deutscher Stuka über den Besuchern.
Aus den Mauern steht dann sogleich ein Fernsehzimmer hervor und hinter der Mauer, durch Löcher erkennbar, befindet sich die Ehefrau aus The Wall sowie bei The Final Cut ein Mannequin in Soldatenuniform mit einem Messer im Rücken, umringt von blühendem Mohn. Naturgemäß wird das so fortgesetzt: Die Männer in den Anzügen mit den umgehängten Glühbirnen, Betten an der Wand mit Ausstellungsstücken darin, ein Bett an der Decke, die Discokugel aus 1994, ein Zeppelin aus demselben Jahr sowie die metallenen und steinernen Köpfe von Division Bell nebst den Augen von PULSE. Irgendwann wundert man sich nur noch, wer das denn alles aufbewahrt hat und freut sich sogleich darüber.
Beschlossen wird die Ausstellung mit einigen Eindrücken von The Endless River und einem späten Bild vom bereits ergrauten Rick Wright auf seinem Segelboot und einer Surround-Vorstellung von Arnold Layne und Comfortably Numb. Während ersteres Stück einigermaßen neu und interessant abgemischt ist, handelt es sich bei letzterem um den Live 8 – Auftritt, welcher eher wie eine fulminante Mono-Version anmutet.
Money – It’s a crime
So bunt die Ausstellung sich ausnahm, so bunt verhält es sich auch mit dem Shop. Endlos anmutende Reihungen von T-Shirts, Postkarten, gerahmten Postern, Büchern und Nippes wie Schlüsselanhängern oder Küchenmagneten. Widersteht man der Versuchung nicht und hat zufällig seine Bankomatkarte dabei, hinterlässt man dort schnell dreistellige Summen. Während meine Freundin eine Algie (15€) aus Stoff sowie einige Postkarten erwarb, gab ich mich mit In The Pink von Nick Sedgwick (25€) sowie einer Faksimile-Box der Floyd-Tour-Programme (40€) zufrieden. Wenn man dann nachsieht ob denn die anderen Artikel wenigstens über das Netz habhaft zu werden sind und dann feststellt, dass dem nicht so ist, bereut man allerdings, doch nicht so viel mitgenommen zu haben.
Hier darf nicht unerwähnt bleiben, dass Werner, geliebter Betreiber dieser Seite, ein Verführer ist. Nachdem er mich darum bat den Shop doch noch einmal zu besuchen um ihm die Geschichte der Black Strat von Gilmour durch Phil Taylor signiert zu holen, musste ich nochmals zuschlagen, um nicht wieder im Nachhinein zu bereuen. Meine Freundin erwarb zusätzlich noch Nick Masons Floyd Buch durch ihn selbst signiert und ich holte mir neben meiner eigenen Ausgabe von Phil Taylors Buch auch noch den ersten Tour-Bus von Pink Floyd als kleines Spielzeugauto.
Sauer aufgestoßen ist mir jedoch, dass die ja angeblich nur auf der Record Store Day beschränkte Ausgabe von Interstellar Overdrive im Shop in Mengen für 20 Euro das Stück lagernd war. Das erinnert mich an den Verkauf von Beatles-Boxen für den RSD bei Media Markt und Saturn vor einigen Jahren und bringt mich immer näher an einen Boykott dieses Events.
Stairway to Hell
Einen weiteren Tag in Rom, besser gesagt einen Abend, verwandten wir auf ein dortiges Bob Dylan – Konzert. Bereits mehrfach zuvor hatte ich negative Kommentare zu seinen Auftritten gehört und ich erinnerte mich noch gut an Roger Waters Aussage, er gehe nicht mehr zu Dylan, da er die Songs ja eh nicht erkennen würde, so verschieden wie sie gespielt würden. Denkt man an andere Aussagen Rogers beispielsweise zu Tom Yorke und anderen Musikern, kann man das gerne mal als „Ausrutscher“ abtun. Während die unpünktlichen Öffis uns dazu nötigten ein Taxi zum Aufführungsort zu nehmen um doch noch halbwegs pünktlich anzukommen, stellten wir vor Ort fest, dass unsere Plätze doppelt verkauft wurden, wodurch wir gezwungen waren auf den Treppen zu sitzen, da wir stehend an den Geländern die Sicht versperren würden (obwohl hinter uns eine Wand war). Irgendwie hatte das dann doch etwas und warf uns fast schon auf Teenie-Jahre zurück.
Als Dylan-Experte mag ich mich nicht sicher nicht rühmen, denke aber die meisten seiner Alben ganz gut zu kennen und umso schockierter war ich letztlich, dass Roger Waters Recht behalten sollte: Kaum ein Lied war zu erkennen. Seine Ursache hatte das jedoch nicht nur in der vollkommen anderen musikalischen Ausführung sondern auch darin, dass die Abmischung so undifferenziert, laut und in einem Wort schlecht war, dass Dylans Gesang nicht verstanden werden konnte. Obschon gerade ich eine dieser Personen bin, welche sogar im Kino bis zum Ende des Abspanns bleibt, verließen wir das Konzert noch vor dem Ende der Zugaben und sagten uns beide, dass ein zweiter Besuch der Floyd-Ausstellung letztlich lohnender gewesen wäre.
Vielen Dank Christian für deinen lesenswerten Bericht und die sehr ansehnlichen Fotos! Dass du dich noch einmal in die Höhle des Löwen, den Shop hinein gewagt hast, um für mich Taylor’s neuestes Black-Strat Buch zu kaufen, dafür gebührt dir meine Anerkennung!
Ich war letztes Jahr bei Bob Dylan in Hannover und war begeistert. Gerade weil Bob Dylan nicht einfach eine Greatest Hits Setlist runterspielt und die Songs auch mal abändert.
Vielen Dank, Christian, für diesen informativen und detaillierten Bericht. Das war sehr interessant zu lesen, insbesondere auch im Hinblick auf die saubere Orthografie und die geschliffenen Formulierungen!
Sehr schöner Bericht! Danke dafür, habe mich nochmal in die Erlebnisse von letztem Jahr in London hineinversetzt gefühlt, will heissen, es scheint wohl alles genauso zu sein, außer vielleicht der Sound von Live8, wie Du sagst – ich war in London begeistert – ist die Soundanlage in Rom nicht auch von Sennheiser?
Zu Bob Dylan: Es scheint hier auch außergewöhnliche Fans zu geben, sein 66er Album “Blonde On Blonde” wurde letzten Februar bei Discogs für über $1700 verkauft, natürlich die US-Erstauflage in Mono. Meisterliches, ähm… schönes Wochenende allen!
Eine Frage: Wie ist denn diese neue Version des Black Strat- Buches? Was unterscheidet sich und was ist neu?
Gruß
Neue Kapitel über The Endless River und Rattle That Lock Album und Tour! Siehe: Phil Taylor – The Black Strat Fourth Edition
Wie viel kostet denn diese signierte Variante?
Zunächst Mal danke für die Blumen zum Artikel! Mit dem Schreiben verdiene ich mein weniges Geld und es hat Freude gemacht (halb-) journalistisch zu schreiben über etwas, das mich tatsächlich mal interessiert. 😉
Mag kurz einwerfen, dass es sich, glaube ich, leider nicht um die vierte sondern um die dritte Auflage des Taylor-Buches handelt, welche in Rom erhältlich ist. Die Kosten dafür betragen 25 Euro.