Pink Floyd veröffentlichten vor 40 Jahren Animals
Unfassbare 40 Jahre ist her seit Pink Floyd Animals veröffentlichten und an diesem Tag in der Dortmunder Westfalenhalle zu ihrer großartigen “In The Flesh Tour” aufbrachen!
pink floyd „animals“
von thoralf koss, 10.4.2005
warnung an alle leser! wir schreiben bewusst klein, weil wir der meinung sind, dass dies die einzig wahre “deutsche rechtschreibreform” gewesen wäre! (und selbst bert brecht hatte das bereits erkannt, doch der war seiner zeit ja schon immer weit voraus)
zwar erscheint dieser artikel auf den ersten blick wie eine reine cd-besprechung, er ist aber auch ein stück erlebte ddr-geschichte des autors!
es war einmal ein kleiner junge, der lebte in einem kleinen land. und obwohl die menschen dieses landes recht groß waren, genehmigte man ihnen nur eine kleine freiheit – in der man nur so weit gehen konnte, bis man an eine mauer stieß, in der man nur so weit denken durfte, bis man eine mauer stieß und in der man nur bis zur mauer, aber nie darüber hinaus hören, sehen und fühlen durfte.
dieses kleine land wurde regiert mit großen worten und gesten von kleinen alten männern, die in der vergangenheit einmal opfer waren und in der gegenwart zu tätern wurden, weil sie kleingeist verlangten und freie, große gedanken verbaten oder einmauerten.
und unser kleiner junge hatte eine große leidenschaft – und diese leidenschaft hieß: musik! wann immer er konnte, hörte er in einem alten, gebrechlichen radio alle sender, die dieses empfangen konnte, auch wenn einige davon von den kleinen alten männern verboten worden waren. trotz dieser großen, ständig auf ihn lauernden gefahren, drehte er ständig an dem knopf, der ihm die verbotenen sender bescherte und eines tages hörte er etwas, was er kaum zu glauben wagte.
da grunzten plötzlich schweine in seinem radio, natürlich mal wieder auf einem der verrauschten und zugleich verbotenen sender.
dann pfiff es kurz, eine wahnsinnige orgel setzte ein, dann eine e-klampfe, angegrunzt von einem weiteren schwein und der sound wurde lauter und lauter, man bekam angst. wie geht das wohl weiter? „pig-man, pig-man“, mein gott, sangen die etwa über diese alten gebrechlichen staatsoberhäupter, die doch besser schweine hätten hüten, statt dieses kleine land führen sollen.
diese musik klang überhaupt nicht nach all dem gängigen charts-scheiß, der erst im angesicht eines solchen titels wirklich zum scheiß wurde, sondern wie die offenbarung! es war eine offenbarung, nämlich meine, eben die des kleinen jungen, in dem kleinen land, der plötzlich, und zwar zum ersten mal in seinem leben, große musik hörte und damit an eigener größe gewann.
alles, alles musste getan werden, um den namen der band in erfahrung zu bringen – und nicht nur den, auch wie der titel hieß und das album, auf dem er war. konnte man dieses problem überhaupt lösen, in diesem… man konnte!
es gab freunde, die die gleiche sendung gehört hatten, allerdings nur wegen dem charts-scheiß und die sich tatsächlich den namen der band gemerkt hatten, damit sie nicht mal aus versehen auf die aufnahmetaste ihre radio-rekorders drückten, wenn von der band ein titel angesagt wurde – eben der band, die der kleine junge mit einem schlag so sehr liebte – und die pink floyd hieß.
dann war es nur noch ein leichtes, in erfahrung zu bringen, dass der titel „pigs“ und das album „animals“ hieß (da hätte man ja fast von selber drauf kommen können!!!).
doch der nächste schritt war bedeutend schwerer! wie sollte man sich dieses album, ohne das man kaum noch ein normales leben führen konnte, besorgen? man musste sich was einfallen lassen, in diesem kleinen land, das nur auf musik stand, die in fein zensierten texten und vor allem in der eigenen muttersprache ihr liedgut zum besten gab.
also ging man erstmal zur ferienarbeit – vier wochen ins sket (schwermaschinenbau kombinat „ernst thälmann“ in magdeburg), wo man acht stunden am tag als vierzehnjähriger schüler gewinde in seltsame stahlplatten bohrte und hoffte., den eisenspanflug, das kreischen des bohrers und den gestank des verdampfenden maschinenöls unbeschadet zu überleben. na ja, so lange man ein ziel vor augen hatte – ein ziel, das pink floyd „animals“ hieß und aus schwarzem vinyl bestand – das war es wirklich wert.
knapp 300 mark hatte man in den vier wochen zusammen – und die reichten, um alle schwarzen märkte des landes der saubermänner zu mobilisieren, um für den wirklich „fairen“ preis von 130,- ostmark endlich dieses album, mit dem seltsam fliegenden schwein in den händen zu halten, das mit der fabrik, über die dieses schwein flog, auch noch an das sket erinnerte.
nie werde ich vergessen, wie ich mit zitternden händen und größter vorsicht die schallplatte auf den teller meines billigen plattenspielers (zumindest war er nicht so teuer wie diese platte selber!) legte und mit jedem knistern oder knacken litt – und an einer stelle in „dogs“ sogar glaubte, sterben zu müssen, da die nadel dort partou den spitzensportlern dieses kleinen landes nacheifern musste, indem sie große sprünge machte.
pink floyd waren es, die mein leben, zumindest von der musik her, tiefgründig änderten, animals bewies mir, dass musik mehr als eingängige rhythmen und 3- oder 4-minuten-charts sein kann und pigs weckten das „wahre“ tier in mir, das sich erhob gegen das gegrunze der masse!
all das hat mich geprägt. und wer wirklich richtig zuhören kann, wird ähnlich empfinden, wenn er ab sofort mit zitternden händen einen, eben jenen, silberling in seinen cd-player schiebt und mit einer gewissen enttäuschung feststellt, dass dieser nicht mehr knistert, knackt oder sogar springt.
ps: das ist eine wirklich wahre geschichte!
bewertung des „animals“-albums aus sek2-sicht: 15 punkte, also 1+ oder ein durchschnitt von mindestens 0,9 (wir sind in sachsen doch zu allem fähig, oder?)
anspieltips: jeder einzelne titel, besonders „pigs“, da es bei dem schweine-gegrunze auch heute noch einige parallelen zu erkennen gibt!
Eine grandiose Beschreibung vom ersten Animals Gefühl. Herrlich geschrieben. Danke!
Zu Animals: Ich musste mich mit dem Album zuerst anfreunden. Wish You Were Here war meine Pink Floyd Sozialisation. Davor war es The Wall. Und noch davor The Final Cut. Animals also schaffte es nur selten auf meine Tonbänder. Manchmal versuchte ich den Gitarrenteil von Dogs zu extrahieren, weil er mir den typischen Floyd Rauch brachte. Sheep und Pigs (Three Different Ones) fand ich nicht cool… und dann kamen die Bootlegs. Und ich hörte Animals Live. Und ich erlebte eine erneute Offenbarung. Pigs (Three Different Ones) wurde von niemandem wieder so genial gespielt wie von den Floyds 1977 auf der Tour. Etliche Versionen davon laufen derzeit auf meiner Endlosschleife und ich freue mich jedes mal, wenn der Zufallsgenerator auf den Titel springt.
Animals war auch meine erste Scheibe, die ich mir als Lehrling von meinen 75 monatlichen Aluchips kaufte.. Hatte sogar einen Freund angepumpt. Die Scheibe kostete 120 Ostmark und war von Yugoton.
Unser Musiklehrer in Dresden (Tal der Ahnungslosen, weil kein Westempfang) brachte mich zu Floyd. Er spielte uns mal zwei Titel von UmmaGumma vor, die mich sehr faszinierten.