Pink Floyd waren ein Experiment

Reden wir über Geld: Nick Mason “Wir waren ein Experiment”. Rockmusik und Rennen fahren: Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason über frühe Niederlagen, 100 Millionen Dollar für ein Comeback – und fliegende Schweine, die den Londoner Luftraum gefährden.

17.6.2010: Interview: Uwe Ritzer für die Süddeutsche. Genau passend in den ganzen Waters und Gilmour Freudentrubel, erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Interview von Nick Mason. Und Mason wollte nicht unerwähnt lassen, das er gerne noch mit Roger und David spielen würde!

Nick Mason, 66, hat verschlafen. Mit dem Auto schafft er es an diesem Tag nicht mehr rechtzeitig zum Autorennen. Aber wer mal Schlagzeuger von Pink Floyd war, kann sich einen Hubschrauber leisten. Mit dem Fluggerät, dessen bemalte Unterseite stark dem Cover seines Pink-Floyd-Buchs “Inside Out” ähnelt, schafft es Mason noch rechtzeitig zu dem Auftritt in seinem zweiten Leben: Beim größten historischen Motorsportfestival im südenglischen Goodwood startet der passionierte Rennfahrer in einem Silberpfeil der Auto Union. Beim Interview danach zieht er häufiger die Augenbraue hoch – sehr britisch und sanft ironisch.

SZ: Nick Mason, reden wir über Geld … oder nein, reden wir in Ihrem Fall lieber zuerst über Rennautos und Rockmusik. Was ist stressiger: Ein Rennen fahren oder ein Konzert spielen?
Mason: Ein Autorennen, denn da steckt eine Gefahr drin, die es bei Konzerten nicht gibt. Außer wenn das Publikum richtig sauer wird.

“Vielleicht spielen Roger, David und ich wieder einmal zusammen, wenn es darum geht, Menschen mit unserer Musik zu helfen!”

SZ: Waren Sie als Drummer und einziges Bandmitglied vom Anfang bis Ende der Motor von Pink Floyd?
Mason:
Musikalisch ist das Schlagzeug der Motor einer Band. Aber Drummer sind merkwürdige Typen. Sie können nicht alleine spielen wie Gitarristen oder Keyboarder. Deswegen müssen sie Teamplayer sein.

SZ: Heute sind Sie begeisterter Rennfahrer. Stimmt es, dass auch am Anfang von Pink Floyd ein Auto im Spiel war?
Mason:
Roger Waters und ich studierten am selben College Architektur, kannten uns aber nur aus der Distanz. Eines Tages fragte er mich, ob ich ihm meinen 1927er Austin Seven leihe. Das war ein klappriges Ding, das ich laufend reparieren musste. Ich dachte mir, der Typ macht dir das Auto endgültig kaputt und gab es ihm nicht. Roger war sauer, aber wir hatten nun Kontakt.

SZ: Alle Pink-Floyd-Mitglieder kamen aus der Mittelschicht. Müssen Rockstars nicht eigentlich bitterarm sein und sich aus ihrer schlimmen Jugend nach oben spielen?
Mason:
Das ist ein Klischee. Okay, in den frühen Jahren des Rock’n’Roll kamen viele Arbeiterkinder hoch, und Musiker, die selbst bei der Bahn oder in der Fabrik schufteten. Das änderte sich bald. Die Beatles waren auf dem College.

SZ: Pink Floyd bestand aus sehr unterschiedlichen Charakteren.
Mason:
Das kann man wohl sagen, aber das gibt es oft. Denken Sie an Paul McCartney und John Lennon oder Mick Jagger und Keith Richards. Manchmal lehnen sich zwei in einer Band sogar ab und bekämpfen sich regelrecht. Aber gerade daraus erwächst oft etwas ganz Besonderes.

SZ: Stimmt es, dass Pink Floyd Frontman Syd Barrett aus der Band warf, indem Sie ihn einfach zu Hause ließen?
Mason:
Es gab ständig Ärger, auch in Folge seines Drogenkonsums. Wir wollten weitere Konflikte vermeiden. Aber keiner brachte es übers Herz, ihm zu sagen: Du gehörst nicht mehr zur Band. Als wir zu einem Auftritt nach Southampton fuhren, haben wir ihn einfach nicht abgeholt. Das war 1968. Sehr lange her, aber wir schämen uns heute noch dafür.

SZ: Erinnern Sie sich an Ihre erste Gage?
Mason:
Am Anfang, von 1965 bis zum Album “Darkside Of The Moon” 1973, haben wir so gut wie nichts verdient. Veranstalter zahlten manchmal keine Gage, weil sie meinten, was wir machen, sei gar keine Musik. So um 1970 waren wir mit 15.000 Pfund verschuldet. Wir genehmigten jedem von uns nur 7 Pfund und 6 Shilling die Woche. Mit dem Rest stotterten wir Schulden ab.

SZ: Später verdiente Pink Floyd viele hundert Millionen Euro. War Geld für die Band ein Antrieb?
Mason:
Geld treibt nur ganz, ganz wenige Musiker an. Die meisten haben eine künstlerische Idee, eine Aussage und sie wollen vor vielen Leuten spielen, um sich mitzuteilen. Viele große Rockstars haben sehr viel Geld verloren. Nein, keiner von Pink Floyd wollte mit Musik reich werden. Große Musiker sind meistens keine guten Geschäftsleute.

SZ: Müssten sie das sein?
Mason:
Heutzutage schon, denn die Musikindustrie ist im Umbruch. Die Plattenverkäufe brechen fürchterlich ein, weil die Leute sich die Musik im Internet umsonst runterladen. Manche sagen ja, dann müsst Ihr das Geld eben mit Konzerten, Merchandising und so verdienen! Aber das ist schwierig. Früher war die Zahl der verkauften Platten ein Maßstab, wie gut eine Band ankommt und wie groß die Hallen sein können, in denen sie auftritt. Wenn man aber nicht mehr weiß, wie viel eine Band verkauft, wird die ganze Planung sehr schwer. Die Musikindustrie ist dementsprechend verunsichert.

SZ: Ist Pink Floyd intelligent mit Geld umgegangen?
Mason:
Oh nein, wir haben richtig viel Geld verloren. Wir hatten einige miserable Berater und haben viele wahnsinnige Investments gemacht. Reich wurden wir nur dank unserer langen Karriere.

SZ: Pink Floyd war bekannt für gigantische Bühnenshows. Ein zwölf Meter hohes, aufblasbares Schwein war zeitweise das Symbol für Konzerte. Wer kam auf diese Idee?
Mason:
Ich glaube es war Roger. Einmal, bei Fotoaufnahmen für ein Plattencover, rissen die Halteseile und das Schwein flog davon. Es stieg mit 2000 Fuß in der Minute nach oben. Wir wollten einen Helikopter hinterher schicken um es abzuschießen. Aber es gab keinen, der so schnell und so hoch steigen konnte – Sie dürfen nicht vergessen, das war vor über 30 Jahren. Also haben wir die Luftaufsicht informiert und die gab eine offizielle Warnung raus. Denn das Schwein flog im Luftraum des Flughafens Heathrow herum, ehe ihm die Luft ausging.

SZ: War Pink Floyd mehr ein Kulturprojekt als eine Rockband?
Mason:
Wir waren definitiv eine Rockband, aber eine mit kultureller Potenz. Wir waren an allem interessiert und experimentierten mit Lichtshows, Film und Video, aber am Ende kam Rockmusik raus und sonst nichts.

SZ: Wie viel davon war dem Zufall überlassen? Die berühmte Sprechsequenz “There is no dark side of the moon. Matter of fact, it’s all dark” soll vom Pförtner der Abbey-Road-Studios stammen.
Mason:
Ja, von Jerry, dem irischen Pförtner. Wir hatten 14 Fragen auf Papier geschrieben und sieben Leute um uns herum um Antworten gegeben. Jerry meinte, am Mond gebe es keine dunkle Seite, weil da alles dunkel ist. Die beste Antwort, also haben wir sie übernommen. Zufall war auch im Spiel, als wir einmal im Studio saßen und nach einem Titel für unser neues Album suchten. Da lasen wir in der Zeitung die Geschichte einer Mutter, der man einen Herzschrittmacher einpflanzte, ehe sie ihr Kind zur Welt brachte. Über dem Artikel stand “Atomheart Mother”. Das wurde unser Plattenname.

SZ: Pink Floyd zog einmal kurzzeitig nach Frankreich – wegen der Sonne?
Mason:
Wegen der Steuern! 1979 kamen plötzlich Steuerforderungen, die uns ruiniert hätten. Da schlug jemand vor: Zieht doch weg. Das war ein selten guter Rat. Also zogen wir nach Frankreich. Ein Jahr später waren in England die Steuergesetze geändert und wir kehrten wieder zurück.

SZ: Sonst noch wo drauf gezahlt?
Mason:
Ja, ganz extrem 1980 mit “The Wall”. Wir gaben nur ganz wenige Konzerte, machten ein teures Filmprojekt und dann verließ uns Roger Waters…

SZ: …woraufhin Sie heftig stritten und Millionen für Anwälte draufgingen?
Mason:
Roger dachte, wenn er als Hauptsongwriter die Band verlässt, darf sie sich nicht mehr Pink Floyd nennen. Er wollte den Namen für sich. Im Vertrag mit der Plattenfirma stand aber, wenn einer geht, besteht die Band trotzdem weiter. David Gilmour, Rick Wright und ich brachten dann als Pink Floyd dann die beiden Platten “Momentary Laps Of Reason” und “The Division Bell” heraus.

SZ: 2005, 14 Jahre nach Waters Abgang, schloss sich Pink Floyd wieder für das Benefiz-Konzert Live 8 zusammen. Danach soll die Plattenindustrie 100 Millionen Dollar Garantiesumme für eine Kurztournee geboten haben.
Mason: Nein, das ist falsch.

SZ: Sondern?
Mason
: Es war mehr, viel mehr. Vielleicht spielen Roger, David und ich wieder einmal zusammen, wenn es darum geht, Menschen mit unserer Musik zu helfen.

SZ: Was machen Sie mit den ganzen Autos, jeden Tag polieren?
Mason:
Einige leihe ich für Film- oder Fernsehaufnahmen aus, meist für kleine Low-Budget-Produktionen, die sich solche Autos sonst nicht leisten könnten. Mit anderen fahren wir Rallyes. Meine Frau, meine vier Kinder und ich haben alle Rennfahrerlizenzen. Eine Tochter ist mit einem Rennfahrer verheiratet und dessen Bruder, Vater, Cousins und Onkel fahren auch. Noch Fragen?

SZ: Wenn Sie die Zeit zurückdrehen und wählen könnten: Würden Sie wieder ein Rockstar werden wollen, oder Formel-1-Weltmeister?
Mason:
Rockmusiker. Das ist viel weniger stressig.

Das komplette Interview könnt ihr unter folgendem link nachlesen: Süddeutsche Zeitung

Info: Marcus Blume

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